Mindmap
Fotografie ist nicht nur ein technischer Vorgang, sondern wird von Politik, Medien, Kultur und Wirtschaft erheblich beeinflusst. Diese Einflüsse legen sich wie ein Schleier über das Erkennen der tatsächlichen Möglichkeiten. Die Fotowirtschaft betreibt unter anderem einen regelrechten Kult um Fototechnik und fördert Fotomotive, die einen großen technischen Aufwand verursachen. Diese Art der Fotografie bringt dem Fotografierenden wenig persönlichen Nutzen und Gewinn, sondern ist das Paradebeispiel für die Vermittlung einseitiger Sichtweisen. Einseitigkeit behindert oder verunmöglicht es, das Potenzial der Fotografie auszuschöpfen. Das beste Mittel gegen Einseitigkeit ist der Blick auf das Ganze. Zur Strukturierung komplexer Sachverhalte haben sich sogenannte Mindmaps bewährt. Die hier vorgestellte Mindmap umfasst alle wichtigen Bausteine des fotografischen Prozesses.
Motiv
Das Motiv ist ein zeitlicher und räumlicher Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Fotografieren wird zu einer Interaktion mit realen Gegebenheiten. Allein schon der notwendige Aufenthalt in dieser Realität kann uns vor besondere Schwierigkeiten stellen. Extrembeispiel ist z.B. die Kriegsfotografie. Fotografieren, insbesondere mit einer professionellen Kamera, erregt Aufmerksamkeit positiver wie negativer Art. An vielen Orten ist Fotografieren verpönt, verboten oder stößt auf Unverständnis. Das kann in der Realität psychische, physische und kommunikative Herausforderungen mit sich bringen.
Kamera
Im Zentrum des fotografischen Prozesses steht die Kamera. Sie speichert im wahrsten Sinne des Wortes ein objektives Abbild eines zeitlichen und räumlichen Ausschnitts der Wirklichkeit. Moderne Digitalkameras liefern sofort ein fertiges Foto, welches man nach der Aufnahme betrachten, beurteilen oder direkt versenden kann. Für eine optimale Qualität wird das Foto in der Regel mit einer Bildbearbeitungssoftware nachbearbeitet. Das Buch setzt Grundkenntnisse über Fototechnik voraus, behandelt aber einige für die Bildqualität wichtige Punkte, die oft unterschätzt oder übersehen werden.
Komposition
Die Komposition eines Motivs hängt in erster Linie vom Standpunkt, der Entfernung und dem Bildwinkel ab. Hinzu kommen weitere Faktoren wie Licht, Farben, Bewegungsspuren und Texturen. Sie bestimmen die Ästhetik. Ästhetik bedeutet ursprünglich Wahrnehmung. Hier geht es darum, die Motiv-Szene optimal wahrnehmbar zu machen. Das größte Lob für eines meiner Fotos war die Feststellung, dass es sich hierbei um ein Seherlebnis handele. Für Ästhetik im Sinne guter Wahrnehmbarkeit ist es unerheblich, ob ein Motiv hässlich oder schön ist. Man kann von hässlichen Dingen gute ästhetische Fotos machen und von schönen Dingen auch schlechte und abstoßend langweilige.
Umgangssprachlich ist die Ästhetik die Lehre vom Schönen. Man muss sich nicht wundern, wenn die meisten Menschen schöne Motive, z.B. Sehenswürdigkeiten, aufsuchen und davon schöne Fotos machen wollen. Und genau hier liegt eine weitere Ursache für Einseitigkeit, die verhindert, dass Fotos einen persönlichen und sozialen Nutzen erzeugen. Oft fehlt jede relevante Aussage und es handelt sich nur um eine ästhetische Spielerei, die für Kunst gehalten wird, aber niemanden wirklich interessiert.
Foto
Das digitale Foto ist, wenn gelungen, das Endprodukt des fotografischen Prozesses. Wenn das Ergebnis nicht ganz zufriedenstellt, hat es die Funktion eines Zwischenprodukts, welches verbessert werden kann.
Aussage
In der Medienwissenschaft wird für Aussage auch der Begriff Botschaft verwendet. Unter Aussage kann alles verstanden werden, was das Foto beim Betrachter bewirkt. Üblicherweise wird dies mit Allgemeinplätzen wie „das Foto hat eine starke Aussage“, „das Foto sagt mir nichts“, „das Foto erzählt eine Geschichte“ oder „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ beschrieben. Statt „Aussage“ kann auch der gebräuchlichere Begriff „Interpretation“ verwendet werden. Mit der Interpretation des Fotos durch den Betrachter wird das Foto analysiert und entfaltet seine Wirkung. Die Frage ist dabei, wie verschiedene Betrachter das Foto interpretieren könnten. Als einfachste Analysemethode kann die Bildbeschreibung verwendet werden. Das Buch bietet aber im letzten Kapitel mit der Semiotik des Bildes eine viel weitergehende Methode, um visuelle Produkte und die damit verbundenen Absichten zu verstehen.
Die Aussage ist nicht notwendigerweise erst das Ergebnis des fotografischen Prozesses. Man kann auch von einer gewünschten Aussage ausgehen und dazu ein passendes Motiv suchen und zusammenstellen. Das ist die typische Vorgehensweise von Profis. Sie führen fast immer einen Auftrag aus. Der Auftrag besteht darin, ein Foto zu liefern, welches eine Aussage enthält, die den Wünschen des Auftragsgebers entspricht. Das führt zwangsläufig zu einem überlegten und planvollen Fotografieren und dürfte der Hauptgrund sein, warum Profis oft bessere Fotos machen. Aber es steht nichtprofessionellen Fotografen frei, sich selbst einen Auftrag oder eine Aufgabe zu stellen und diese gezielt zu realisieren.
Der Nutzen, in der fertigen Fotografie eine Aussage zu sehen, ist enorm. Es eröffnen sich Möglichkeiten, die beim Fotografieren normalerweise übersehen werden. Darüber liest man in gewöhnlichen Fotobüchern nichts. Durch gezielte Motivwahl und passende Umsetzung erzielen Sie unter anderem Effekte, die sogar das Unterbewusstsein der Betrachter ansprechen. Und nicht zuletzt gewinnen Sie echte Medienkompetenz, die einen hervorragenden Schutz gegen Manipulationsmechanismen bietet.